Die
Ähnlichkeit zwischen Polen und Deutschen
Zwei Bücher
unter die Lupe genommen
Von
Polen ist auf dem deutschen Buchmarkt absolut „in“. Nach der
Reiseführerschwemme, die manch beachtliche, einige nützliche aber auch viele unterdurchschnittliche
Bücher hervorgebracht hat, geht es längst darum, „den Nachbarn zu verstehen“.
Zumindest zeigt das umfangreiche Angebot, dass es offensichtlich mit dem Abbau
der Vorurteile noch immer nicht sehr weit ist.
Wohl eine Mischung aus
Information und Unterhaltung sollen „Viva Polonia -
Als deutscher Gastarbeiter in Polen“ von Steffen Möller und das „Alphabet der
polnischen Wunder“, herausgegeben von Stefanie Peter sein. Letzteres, Ende
vergangenen Jahres im Suhrkamp Verlag erschienen, versucht fast lexikonmäßig zu erläutern, was von Abtreibung und Adel bis
Zensur und Zwillinge (ja, DIE sind gemeint)
zum Verständnis Polens beitragen kann. Die Beiträge sind in der Regel
sachlich, geben aber all das wieder, was wir in den letzten Jahren in deutschen
Zeitungen lesen konnten. Wirklich Aufregendes gibt es nicht zu entdecken, nicht
einmal besonders Unterhaltendes oder wenigstens Neues. Neu ist dagegen, dass
die Herausgeberin selbst in ihrem Vorwort schreibt, dass man die alphabetische
Sortierung genommen hat, um nicht in Versuchung zu kommen, Wichtiges über
Unwichtiges zu stellen. So soll der Leser selbst auswählen, was davon wirklich
brauchbar ist. Das ist allerdings demjenigen, der Polen nicht kennt, kaum
möglich. Der Andere aber, hat dieses Buch nicht nötig. Dennoch: In Bibliotheken
von Jugendbegegnungsstätten beispielsweise kann das Buch anregen, mal etwas
über Polen zu lesen. Aber es bleibt eine vergebene Chance. Auf den über 300
Seiten hätte man viel Spannendes über Polen darstellen können.
Scheinbar den gleichen Weg ging
der Lehrer, Schauspieler und Kabarettist Steffen Möller in seinem Buch „Viva Polonia“. Alphabetisch sortiert erzählt er kleine mehr oder
weniger humorvolle Geschichten, die helfen sollen, das Land und seine Menschen
besser zu verstehen. Ein absolut berechtigtes und verständliches Anliegen. Doch
im Stile seines ersten Berufes bleibend, müsste die Benotung lauten: „Er war
bemüht…“.
Möller beschreibt einen
Deutschen, der in Polen lebend sich zurechtfinden muss. Solche „Gastarbeiter in
Polen“ (Untertitel des Buches) gibt es aber schon viele. Es gab sie auch schon
vor Möller. Als Deutschlehrer an einem Warschauer Lyzeum und anschließend
Sprachlektor an der Warschauer Uni wurde er für eine Fernseh-Soap
entdeckt. Er spielte darin: den Deutschen. Aber so wie GZSZ (Gute Zeiten,
Schlechte Zeiten) oder „Verbotene Liebe“ in Deutschland wurde „M jak Miłość“ (L wie
Liebe) vor allem bei jungen Leuten in Polen populär und damit der Anti-Held
Stefan Müller - so heißt er in der Serie - bekannt. Angeblich sei Möller nun -
so der Buchverlag - der zweitbekannteste Deutsche
nach dem Papst. Der nächste Schritt Möllers war es nun, mit einem eigenen
Kabarettprogramm aufzutreten. Er will damit Vorurteile der Polen gegenüber den
Deutschen und umgekehrt aufbrechen. Und das scheint umso leichter, als das
Niveau der Kenntnisse über das andere Land in Polen unter jungen Menschen
inzwischen bald ebenso gering ist, wie das in Deutschland. Da lässt sich, mit
etwas Humor verpackt, schon manches vermitteln.
In seinem Buch „Viva Polonia“ versucht Möller nun zu erläutern, was passieren
kann, wenn man aufgrund der schwierigen polnischen Grammatik peinliche Verwechslungen
produziert. So weit, so unterhaltsam. Und tatsächlich gelingt es mit einiger
Mühe, auch eine Reihe problemloser und unterhaltsamer Texte in dem Buch zu
finden (wie ich es für eine Lesung bei einer Veranstaltung in Berlin gemacht
habe). Viele Texte sind dazu aber meines Erachtens nicht oder nur eingeschränkt
geeignet. Da sind zum einen die zahlreichen Klischees, die er angeblich
zerstören will, tatsächlich aber weiterverbreitet. So haben alle Polen unter
dem Kommunismus gelitten (nicht unter Krieg und Naziregime), und natürlich hat
er auch Zeugen gefunden, die ihm bestätigen, dass unter den Sowjets im Krieg
alles viel schlimmer war als bei den Deutschen. Anderen Texten merkt man seine
Bemühtheit zur Verbesserung der Beziehungen an, zugleich aber auch die
Tatsache, dass er wenig Hintergrundwissen hat. Geschichtliche und politische
Zusammenhänge erschließen sich Möller offensichtlich nur soweit, wie sie
täglich in der Zeitung zu finden sind. „Jetzt haben wir Freundschaft und die
wollen wir jetzt mal leben“, scheint sein Motto zu sein. Und da wird auch jede
Nachwende-Position anstandslos und ungeprüft nachgebetet.
Problematischer noch scheint aber
eine Mischung aus Unwissenheit und Oberflächlichkeit zu sein. Auch als
Kabarettist sollte man aufdecken und nicht durch Vereinfachung vernebeln. So
will Möller in einem Text deutsch-polnische Gemeinsamkeiten entdecken und
behauptet: „Beide Staaten haben jeweils drei staatliche Fernsehprogramme, zwei
überregionale und ein regionales.“ Dabei haben wir gerade unter der
Kaczyński-Regierung in Polen gesehen, was ein „staatliches Fernsehen“
ausmacht: Alle wesentlichen Positionen werden nicht nur umgehend mit
Parteifreunden besetzt, sondern es wird dafür gesorgt, dass die politische
Linie der Regierung bis in die unteren Ebenen durchdringt. Bei aller Kritik an
dem immer noch zu starken Parteieneinfluss auch im öffentlich-rechtlichen
System würde dieses Vorgehen in Deutschland zu einem Aufschrei führen.
Schade an dem Buch ist aber die
Anzahl seiner Beiträge mit Belanglosigkeiten.
Auf die Hälfte gekürzt, hätte man ein nettes Büchlein zur Unterhaltung
oder Aufregung.
Doch halt, ich kritisiere das Buch aus der Sicht eines Menschen, der sich viele Jahre mit Polen befasst hat, Hintergründe kennt. Eine polnische Freundin sagte mir neulich, Möller habe bei den einfachen Menschen, ohne große Kenntnisse der Deutschen, etliches für den Abbau von Vorurteilen getan. Das gleiche, das muss man konstatieren, kann das Buch vielleicht bei der Masse der Deutschen, die nichts über Polen wissen, erreichen.
Alphabet der
polnischen Wunder. Ein Wörterbuch von Stefanie Peter (Herausgeber), Maciej Sienczyk (Illustrator),
Gebundene Ausgabe: 328 Seiten, Verlag: Suhrkamp 2007, Preis: EUR 24,80
Viva Polonia.
Als deutscher Gastarbeiter in Polen
von Steffen Möller, Broschiert:
368 Seiten, Verlag: Scherz 2008, Preis: EUR 14,90
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