Ein Helfer für aktuelle Übersetzungen
Letztes Jahr erschien im Harrassowitz Verlag ein „Polnisch-deutsches Wörterbuch der
Neologismen“, das Sprach- und Bedeutungswandel in Polen nach 1989 dokumentiert.
Es wurde in gemeinsamer Arbeit vom Arbeitsbereich Polnisch am Fachbereich
Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaft der Universität Mainz und dem
Institut für Polnische Sprache der Universität Warschau entwickelt. Durch
dieses Wörterbuch wird eine bedeutende lexikalische Lücke zwischen den 1970er
Jahren, auf dessen Stand sich größtenteils die aktuellen zweisprachigen
Wörterbücher befinden, und den Jahren des aktuellen Jahrzehnts geschlossen.
Ein polnisch-deutsches Wörterbuch
der Neologismen ist nicht zuletzt wegen des tiefgehenden gesellschaftlichen
Umbruchs nach 1989 in Polen für die beiden Sprachräume sinnvoll. Mit ihm ging
eine Fülle von Wortneubildungen wie auch Bedeutungserweiterungen bereits existierender
Wörter zur Beschreibung der alten sowie der neuen Gesellschaftsordnung einher.
So findet man im Wörterbuch direkte Neubildungen wie „kuroniówka“
(S. 140) umgangssprachlich für „Arbeitslosengeld“ („Stütze“) oder auch
„Suppenküchen“, politisch-ideologische Bedeutungserweiterungen bereits
bestehender Wörter wie „układ“ (S. 297) als „Seilschaft“ oder auch solche,
die neue gesellschaftliche Funktionen beschreiben wie „rzecznik
praw obywatelskich“ (S.
247) für „Ombudsmann“ oder „Bürgerbeauftragter“. Ebenfalls als Neologismen
wurden Wörter aufgenommen, die bereits lange vor 1989 in der polnischen
Gesellschaft verbreitet waren, aber aus politisch-ideologischen Gründen nicht
den Weg in ein offizielles Wörterbuch fanden wie beispielsweise „ubek“ (S. 296) für „Geheimdienstler“ oder aber auch Wörter
aus der Jugendkultur wie „punk“ (S.231) für die
Musikrichtung Punk.
Es wäre aber falsch, das
„Polnisch-deutsche Wörterbuch der Neologismen“ auf den politischen Aspekt zu
reduzieren. Die Mehrheit der hier erfassten Neologismen betrifft andere gesellschaftliche
Bereiche. So findet man hier Wortübersetzungen für den Bereich der neuen
Technologien wie „małpa“ (S. 157) für den
„Klammeraffen“ in der Email-Adresse oder „dysk twardy“ (S. 62) für „Festplatte“, genauso wie „ekojajo“ (S. 67) für ein Ei aus ökologischer Tierhaltung, „coming-out“ (S. 40) für das Sichbekennen
zur Homosexualität oder auch die Wörter „awokado“ (S.
14), „kebab“ (S. 126) usw.
Das bisherige Fehlen solch eines
Wörterbuches machte sich deutlich bei Übersetzungen bemerkbar, wo die einzelnen
Übersetzerinnen und Übersetzer oftmals unterschiedliche Begriffe ‚schufen', um
ein und denselben polnischen Sachverhalt für die deutschen Leserinnen und Leser
verständlich zu machen. Es ist zu wünschen, dass dieses Wörterbuch zur
Vereinheitlichung wichtiger Termini in der Übersetzung vom Polnischen ins
Deutsche beiträgt.
Aber auch ein weiterer Aspekt
dient der Beachtung, auf den die (neben Andres Meger)
beiden für die Herausgabe verantwortlichen Personen, Erika Worbs und Andrzej Markowski, in ihrem Vorwort hinweisen. Sie schreiben dort:
„Ein Neologismuswörterbuch ist nicht allein ein trockenes Verzeichnis neuer
Wörter, sondern es ist zugleich ein anschauliches Lesebuch zur Zeitgeschichte,
Kultur, Mentalität sowie zu den deutsch-polnischen Beziehungen. Die Lektüre ist
besonders interessant und ergiebig in Zeiten des Umbruchs, wie sie unser
Wörterbuch umspannt.“
Wulf Schade
Erika Worbs, Andrzej Markowski,
Andreas Meger, Polnisch-deutsches Wörterbuch der Neologismen,
Neuer polnischer Wortschatz nach 1989. Unter Mitarbeit von Radosław Pawelec und Ewa Rudnicka,
Gesamtredaktion Erika Worbs, Harrassowitz Verlag
Wiesbaden 2007, ISBN: 978-3-447-05595-6, Preis 58,00 €