Der “Heilige
General”, Teil II
Engagement für
den neu gegründeten polnischen Staat
Von Joachim
Die schon lange vor Ausbruch des I. Weltkrieges in der k.u.k. Doppelmonarchie
latenten zentrifugalen Tendenzen führten gegen Kriegsende zu deren raschem
Zerfall. Auch Artillerie-Oberst Ignacy Ledóchowski musste sich im klaren
darüber sein, dass ein Nachkriegs-Österreich, von
einer europäischen Großmacht auf einen Kleinstaat zusammen geschrumpft, für
seine Dienste keinen Bedarf mehr haben würde. Es war auf jeden Fall das Vernünftigste,
nach Galizien zurück zu kehren, wo Haus und Familie auf ihn warteten. Als
Offizier mit einer unbeugsamen Pflichtauffassung - die einer seiner
hervorstechendsten Charakterzüge war - dürfte jedoch eine Desertion für ihn
nicht in Frage gekommen sein. Obwohl die Literatur hierüber schweigt, ist
anzunehmen, dass er entweder selbst um Entlassung
nachgesucht hat oder im Zuge der Demobilisierung der k.u.k. Armee aus dieser
entlassen wurde. Ein Hinweis hierauf könnte die Angabe in einem Biographischen
Lexikon der polnischen Generalität sein, er habe bis zum 12. Dezember 1918 in österreichischen
Diensten gestanden.
Wir finden auf jeden Fall Ignacy Ledóchowski um den 24. November
1918 wieder in Krakau, das schon vier Wochen zuvor, am 28. Oktober 1918, ohne
Blutvergießen von den Österreichern geräumt und von der Polnischen
Liquidationskommission für Galizien übernommen worden war. Zwei Wochen danach,
am 11. November 1918 - dem Tag, an dem auch das Deutsche Reich die Waffen
streckte - hatte der tags zuvor aus deutscher Festungshaft entlassene Józef Pi³sudski vom Warschauer Regentschaftsrat den
Oberbefehl über die (noch zu bildenden) polnischen Streitkräfte erhalten. Kurz
darauf war Pi³sudski auch Staatsoberhaupt geworden. Ignacy
Ledóchowski meldete sich unverzüglich bei der
Krakauer Ortskommandantur und wurde am 26. November 1918
vom polnischen Heer übernommen. Er erhielt sofort die Aufgabe, unter Verwendung
des von den Österreichern am Ort zurück gelassenen Wehrmaterials eine
Truppeneinheit aufzustellen, die den Namen 1. Schweres Artillerie-Regiment
erhielt und die er bis zum 30. März 1919 führte. Inwieweit patriotische Motive
oder auch die persönliche Bekanntschaft mit Pi³sudski aus der Zeit der Kämpfe
in Wolhynien für Ignacys Entschluss, sich dem gerade neu entstehenden polnischen
Staat als Offizier zur Verfügung zu stellen, entscheidend waren - wie es die
vaterländische Geschichtsschreibung sieht - oder eher die nüchterne Erkenntnis,
dass er als auf die Fünfzig zugehender Berufssoldat
nur die Alternative „Vorruhestand“ gehabt hätte, soll an dieser Stelle nicht
weiter diskutiert werden.
Der polnisch- sowjetische Krieg
Zu tun gab es wahrlich genug für
die polnische Armee. Der junge Staat hatte mit allen Nachbarn territoriale
Konflikte, die fast immer in militärische Auseinandersetzungen mündeten. So
finden wir Ignacy Ledóchowski
schon Anfang 1919 wieder an der Front in Galizien, dessen östlicher,
mehrheitlich von Ukrainern bewohnter Teil sich am 1. November 1918 als
Westukrainische Volksrepublik konstituiert hatte. Polen erkannte diese nicht an
und Pi³sudski ließ einmarschieren. Die Kämpfe banden fast die gesamten seinerzeitigen
polnischen Streitkräfte, dauerten bis zum Juli 1919 und endeten mit der
Besetzung ganz Ostgaliziens durch die polnischen Streitkräfte und dessen Anschluss an Polen.
Am 1. April 1919 übernahm Ignacy Ledóchowski das Kommando über
größere Einheiten, anfangs über das 3. Artillerie-Bataillon, später über das 14.
Feldartillerie-Bataillon. Inzwischen hatte sich ein neuer, weitaus gefährlicherer
Konflikt an Polens Ostgrenze entwickelt, der sich zum polnisch-sowjetischen
Krieg ausweiten und Polen an den Rand seiner staatlichen Existenz bringen
sollte. Er begann damit, dass sowohl die Sowjets als
auch die Polen das Machtvakuum, das im Februar 1919 entstanden war, nachdem die
Deutschen aus dem zwischen dem polnischen Staat und der Sowjetunion als „Pufferzone“
gelegenen „Heeresgebiet Ober-Ost“ abgezogen waren, zu nutzen versuchten, um
jeweils historisch motivierten territorialen Ansprüchen militärisch Geltung zu
verschaffen.
Nach anfänglichen polnischen
Erfolgen - Marsch auf Kiew Ende April 1920 - gelang den Sowjets ab Juni 1920
der Gegenstoß. „Nach Westen! Über die Leiche des weißen Polen führt der Weg zum
Weltenbrand“ lautete der Tagesbefehl General Tuchatschewskis
für den 4. Juli 1920. Ignacy Ledóchowski
wurde am 1. Juni 1920 an die litauisch-weißrussische Front versetzt, wo er - unter
Beförderung zum Brigadegeneral - das Kommando über die 11. Infanteriedivision übernahm,
die er bis Ende Juli 1920 führte. Inzwischen hatte sich die militärische Lage für
Polen dramatisch verschlechtert. Anfang August näherten sich fünf sowjetische
Divisionen Warschau. In aller Eile bauten die Polen im Norden und Osten der
Hauptstadt Verteidigungsstellungen auf. Das Kommando über die Artillerie im
Nordabschnitt von Rynja bis Orzechowo,
wo die Übergänge über den Narew zu sichern waren, war
Ignacy Ledóchowski übertragen
worden. Er gruppierte seine Geschütze in zwei Sektoren: Skrzeszew
südlich des Narew (7 Batterien) und Zegrze im Narewbogen (10
Batterien). Die Artillerie hatte wesentlichen Anteil an der Zerschlagung des
Angriffs zweier sowjetischer Divisionen in der Zeit vom 13. bis 15. August 1920
und damit am „Wunder an der Weichsel“, das Polen (zumindest eine Zeitlang) und
vermutlich ganz Westeuropa vor dem Bolschewismus rettete.
Ende August 1920 nahm Ignacy Ledóchowski an der
Schlacht am Niemen als Kommandeur der Schweren
Artillerie teil, die den Angriff der 21. Gebirgsinfanterie-Division und der
Freiwilligen-Division auf Grodno durch Beschuss der Festungsanlagen von Stellungen nördlich KuŸnica aus unterstützte. Nach Einnahme Grodnos
verblieb er dort zusammen mit seiner Artillerieeinheit. Er wurde er zum
interimistischen Kommandeur der Festung ernannt und erhielt den Befehl, sie für
Zwecke der Verteidigung herzurichten. Für besondere Tapferkeit wurde er in
diesem Kriege zweimal ausgezeichnet und erhielt zudem den Orden „Virtuti Militari“ (vergleichbar
etwa dem deutschen EK) 5. Klasse.
Mit dem Vertrag von Riga (18. März
1921), der Polen große Teile des eroberten Territoriums zusprach, endete der
polnisch-sowjetische Krieg. Ignacy Ledóchowski wurde Kommandeur des Armee-Schulungszentrums in
Kobryñ. 1923 wurde er zum Wehrkreiskommando V Krakau
versetzt, um dort das Ressort Artillerie- und Rüstungswesen zu leiten. Im
selben Jahre verlieh ihm Ferdinand Foch, Marschall
von Frankreich, auf dem Krakauer Rynek das Kreuz der
Ehrenlegion. Aus Dienstaltersgründen am 15. August 1924 mit Rückwirkung zum 17.
Juli 1923 zum Generalleutnant befördert, übernahm er 1925 den Posten eines
Stellvertretenden Chefs des Wehrkreises IV £ódŸ.
Der Bruch mit Marschall Pilsudski
Das Verhältnis zwischen dem
General und seinem Oberbefehlshaber, Marschall Pi³sudski, scheint nicht immer
ohne Spannungen gewesen zu sein. Während die Familienchronik von
freundschaftlichen Begegnungen der beiden zwischen den Schützengräben Wolhyniens und einer lobenden „Erwähnung“ Ignacy Ledóchowskis durch den
Marschall im polnisch-sowjetischen Krieg weiß, zitieren polnische Militärhistoriker
eine dienstliche Beurteilung aus dem Jahre 1922, in der er von Pi³sudski zur
Gruppe der „in jeder Hinsicht durchschnittlichen“ Generale gerechnet wird. Das
mag mit den Bestrebungen Pi³sudskis zusammen gehangen haben, sich nach und nach
aller ehemaligen österreichischen hohen Offiziere zu entledigen. Zum offenen
Bruch kam es, als Pi³sudski im Mai 1926 mit einem Staatsstreich die Macht übernahm.
Ignacy Ledóchowski fühlte
sich seinem auf die Verfassung der Republik abgelegten Eid verpflichtet und
versagte Pi³sudski seine Unterstützung, wohl wissend, dass
dies das Ende seiner Offizierskarriere bedeuten würde. Als schwere Kränkung
empfand er die Umstände seiner Entlassung zum 1. Februar 1927 - bevor er die
Urkunde erhielt, hatte schon die Morgenpresse darüber berichtet.
Ratgeber im Dienste der Armia Krajowa
Nach seiner Pensionierung verließ
Ignacy Ledóchowski Krakau
und zog mit seiner Familie auf das von seiner Frau in die Ehe eingebrachte
Landgut Wólka Rosnowska bei
Lwów, dessen Verwaltung er sich fortan widmete. Als
im Zuge der Vierten Teilung Polens durch Hitlerdeutschland und die Sowjetunion
die Rote Armee am 17. September 1939 den Ostteil Polens bis zur „Ribbentrop-Molotow-Linie“
besetzte, warteten die Ledóchowskis nicht ab, bis man
sie verhaften würde, sondern flohen in den deutsch besetzten Westteil und ließen
sich auf dem elterlichen Gut Lipnica Murowana nieder. Wie viele Polen, die die österreichische
Zeit in Galizien oder auch die deutsche Besatzung im I. Weltkrieg erlebt
hatten, setzten sie in die Deutschen Hoffnung auf eine korrekte Behandlung nach
den allgemein anerkannten Grundsätzen des Kriegsvölkerrechts. Dass sie vom Regen in die Traufe gekommen waren, mussten sie bald mit Verbitterung feststellen.
Schon bald nahmen Verwandte, die
im Untergrund in der Armia Krajowa
(Heimatarmee), kurz „AK“, konspirativ tätig waren, mit Ignacy
Ledóchowski Kontakt auf. Nach späteren Berichten
dieser Verwandten erklärte er sich sofort zu einfachen Dienstleistungen bereit,
wie etwa Spendengelder zu verwalten. Als die AK Anfang 1944 in großem Maßstab
daran ging, Partisaneneinheiten aufzustellen, betätigte er sich unter dem
Pseudonym „Krak“ als Ratgeber in Fragen operativer
Taktik und Gefechtsausbildung. Dass er, der ehemalige
Zwei-Sterne-General, nur als Oberleutnant der Reserve in die AK aufgenommen
wurde, störte ihn nicht im geringsten - was zählte, war allein, dass er wieder Soldat für Polens rechtmäßige Regierung sein
durfte.
Ignacy Ledóchowski hatte nicht nur väterlicherseits polnische und
mütterlicherseits österreichische Verwandte. Die Aristokratie Europas war schon
immer „europäisch“ gewesen, Heiraten über Landes- und Nationalitätsgrenzen
hinweg nichts Außergewöhnliches. So hatte auch die Familie seiner
Schwiegermutter, Jadwiga Ro¿nowska, Verwandte in
Deutschland, unter anderem den Arzt Dr. Johannes von Roznowski
(in deutscher Schreibweise des Namens). Dieser hatte in Berlin eine Arztpraxis,
in der er während des Krieges - entgegen dem strengen Verbot - heimlich (und
unentgeltlich) auch französische und polnische Zwangsarbeiter behandelte, was
ihm im Herbst 1943 eine Haussuchung durch die Gestapo und die Beschlagnahme der
Patientenkartei einbrachte. Im November 1943 brannte seine Praxis nach einem
Luftangriff vollständig ab. In den folgenden Monaten wurde er noch drei Mal
ausgebombt und erhielt zudem aus politischen Gründen Berufsverbot. Gemeinsam
mit seiner Frau nahm er sich im Februar 1944 das Leben.
Zwei deutsche Briefe
Die Familie von Roznowski hat zwei Briefe Ignacy Ledóchowskis, in tadellosem Deutsch, formvollendet und mit
gestochener Schrift geschrieben, über alle Kriegs- und Nachkriegswirren hinweg
aufbewahrt. Der erste datiert vom 4. Januar 1944 und ist an Ignacys
Vetter Dr. Johannes von Roznowski und dessen Frau
gerichtet:
„Mein lieber Johannes! Es fehlt
uns tatsächlich an Worten[,] um Euch das auszudrücken[,] was wir in Eurem Unglück
für Euch fühlen und empfinden. [Immer]fort denken und sprechen wir von Euch und
fragen uns[,] in was für einem Seelenzustand Ihr Euch befindet. Gebe Euch Gott
Kraft und Trost[,] um Euer schweres Schicksal zu ertragen. Möchte das
Sprichwort „Geteiltes Leid ist halbes Leid“ auch Euch betreffen. Du warst so
gut in unserem Elend, wie möchten auch wir es jetzt für Euch sein können! [...]
Wenn Du oder die liebe Cousine Zeit hat[,] so schreibt Ihr uns nur bald wieder;
es liegt uns jetzt mehr denn je daran, mit Euch in geistiger Verbindung zu sein.
Der lieben Cousine küsse ich die Hand und Dir, mein guter Johannes, ruft alles
Herzlichste zu Dein alter Vetter Ignaz.“
Der zweite Brief datiert vom 27. Februar
1944 und ist an einen entfernteren Verwandten gerichtet, der sich um die Kinder
des verstorbenen Ehepaares von Roznowski kümmerte:
„Sehr verehrter Herr Reichbankrat!
[...] Ihr werter Brief hat uns tief erschüttert, wiewohl ich von dem Todes des
von uns so hochgeschätzten, edlen und lieben Vetters Johannes bereits am 15. dM. verständigt wurde [...] Die letzten Nachrichten von
Johannes liessen klar erkennen, dass
er ein tragisches Geschick voraus ahnte. In dem vorletzten Briefe[,] in dem er
uns eine glückliche Zukunft wünschte, erwähnte er, falls keine weiteren
Nachrichten von ihm kommen sollten: „Behaltet uns in gutem Gedenken.“ Und die 2
armen Kinder! Ich vermute, Sie werden der Vormund von Thomas sein. Ich kann es
in Worten nicht ausdrücken, wie schwer wir die Trauer empfinden [...] Erlauben
Sie mir, sehr verehrter Herr Reichsbankrat, von Zeit zu Zeit an Sie Erkundigung
über die zwei Waisenkinder einzuziehen, deren Schicksal uns für immer am Herzen
gelegen ist [...]“
Den Briefen ist eigentlich nichts
hinzuzufügen. Sie zeugen von der in einer schlichten, aber intensiven Frömmigkeit
gegründeten tiefen Menschlichkeit des Schreibers. Er ist Pole, Soldat, kämpft
gegen die Deutschen, die den Krieg angefangen haben und in seinem Land ein
grausames Terrorregiment führen. Und dennoch ist kein Hass, kein Unterton von „Ihr
seid selbst schuld an eurem Unglück“ zu spüren, nur aus dem Herzen kommendes
Mitgefühl mit zwei um ihre Habe und ihr Lebenswerk gebrachten Menschen. Er ist
praktizierender Katholik, dessen Kirche den Freitod unter die schwersten Sünden
rechnet. Und dennoch kein Vorwurf, nur tiefe Trauer um den Verlust zweier ihm naher
Menschen und vor allem die bange Frage, was aus den beiden als Waisen
hinterlassenen Kindern wird. Zwei Briefe - Dokumente versöhnender
Mitmenschlichkeit über alle durch den Krieg aufgerissenen Gräben hinweg.
Die Verhaftung
Im Sommer 1944 fühlte sich die AK
ihrer Sache so sicher, dass sie mehr als einmal
gebotene Vorsichtsmaßregeln außer Acht ließ. So fand eines Morgens im Juni 1944
im Wald bei Iwkowa, einige Kilometer südöstlich von Lipnica Murowana, ein feierliches
Gelöbnis neu in die AK aufgenommener Offiziere statt, mit Feldmesse,
Fahnenaufzug, Singen der Nationalhymne und Defilee, das Ignacy
Ledóchowski als dienstältester Offizier abnahm. Das
Ereignis wurde entgegen allen Regeln der Konspiration im Bild festgehalten. Irgendwie
kamen die Deutschen in den Besitz der Fotos, und es war der Gestapo ein
Leichtes, die Abgebildeten zu identifizieren und zu verhaften. Zwar soll Ignacy Ledóchowski von der
polnischen Abwehr einen Hinweis auf die ihm drohende Gefahr erhalten haben. Er
soll aber alle Warnungen in den Wind geschlagen haben mit der Bemerkung, man
werde doch einen Dreiundsiebzigjährigen, der keiner Fliege mehr etwas zu Leide
tun könne, nicht verhaften. Es war ein tödlicher Irrtum.
Am 1. oder 2. Juli 1944 nahm die
Gestapo Ignacy Ledóchowski
fest und lieferte ihn in das Gefängnis in der Montelupi-Straße
in Krakau ein. Er wurde einen ganzen Monat lang verhört - nach allen Berichten
in fairer, für die Gestapo jedoch unüblicher Form. Seine österreichischen
Verwandten setzten alle Hebel in Bewegung, um ihn frei zu bekommen. Ehemalige k.u.k.
Offizierskameraden, die ihn noch aus der Zeit vor 1919 kannten und schätzten,
besuchten ihn im Gefängnis und gaben ihm zu verstehen, dass
er mit Freilassung rechnen könne, wenn er nur seine Zugehörigkeit zur AK
abstreite. Aber genau das konnte er nicht. Seine unbeugsame Ehrlichkeit und
Aufrichtigkeit, die ihn schon 1927 seine Stellung gekostet hatte, ließ Lügen
nicht zu. Auf die direkte Frage im Verhör, ob er der AK angehöre, antwortete er
nur: „Jawohl“ und setzte hinzu: „Mehr werde ich nicht sagen.“ Und er hielt
Wort, verriet nichts und niemanden.
„Wir wollten ihn retten“, erzählte
später ein höherer Offizier, Österreicher, „aber nach seinem Geständnis war
nichts mehr zu machen.“
Im Konzentrationslager
Ignacy Ledóchowski wurde Anfang August 1944 ins KZ Groß Rosen
eingeliefert. Er kam dort in das Kommando Weberei, wo alte und geschwächte Häftlinge
Strohschuhe, Flechtmatten, Seile und ähnliches anfertigen mussten,
immerhin aber unter Dach arbeiteten. Seine Aufrichtigkeit und tiefe Frömmigkeit
trugen ihm unter den Bewachern den keineswegs abwertend gemeinten Spitznamen „Der
heilige General“ ein. Mithäftlinge halfen ihm, wo sie konnten, vor allem
heimlich bei der Arbeit, damit er sein Soll erfüllen konnte, und selbst die
Kapos ließen ihn in Ruhe.
Ignacy Ledóchowski konnte Groß Rosen überleben, nicht aber mehr
Dora. Der Priester Lipiński, der bei Ignacys Tod zugegen war, berichtete später, ein polnischer
Häftlingsarzt habe ein vermutlich lebensrettendes Medikament für Ignacy organisiert gehabt. Dieser habe aber abgelehnt, es
zu nehmen und gebeten, man möge es für einen Jüngeren aufheben, der noch
Chancen zum Überleben hätte. Alle Umstehenden seien hiervon zutiefst gerührt
gewesen. Bald darauf sei Ignacy Ledóchowski
verschieden. Seine letzte Worte seien gewesen: „Den Lebenden sage ich adieu,
die Toten rufen mich. Lasst mich in Ruhe sterben.“
Zusammengestellt
auf der Grundlage von Materialien aus dem Besitz der Familien Ledóchowski und von Roznowski
sowie aus der Bibliothek des Muzeum Armii Krajowej in Krakau. Der
Verfasser dankt hierfür den Herren Jan Ledóchowski,
Thomas von Roznowski, Adam R¹palski und Piotr Boroñ. Teil I erschien in
POLEN und wir 3/2004, S. 21-22)