Marek Edelman:

“Mit den Deutschen muss man kein Mitleid haben”

 

"Jeder Krieg bedeutet Tod. Auf beiden Seiten. Aber Groß-Britannien baut kein Denkmal für seine zivilen Opfer, die durch deutsche Bomben starben. Die Deutschen schreien dagegen ständig, dass ihre Zivilisten durch die Bomben der Alliierten starben. Das zeugt von Überheblichkeit. Und Unverschämtheit. Und es beweist auch, dass sie die Lehren des II. Weltkrieges überhaupt nicht verstanden haben.

Und weiter: Dieser Krieg wurde von den Deutschen erwartet. Das Volk war für Hitler. Sie wollten die gesamte Welt beherrschen. Und vielleicht wäre es ihnen gelungen, wenn sie nicht den Fehler begangen hätten, einen Krieg mit Amerika zu provozieren. Auch das aus Überheblichkeit.

Die Deutschen sagen, dass sich unter den Vertriebenen auch Frauen und Kinder befunden hätten. Aber sie sprechen nicht darüber, dass die Frauen eine Propagandakraft für Hitler waren. Es reicht aus, die Filme von Leni Riefenstahl zu sehen. Dort kann man Tausende von deutschen Frauen und Mädchen sehen, die mit Begeisterung skandieren: Heil!, Heil! Sie erwähnen auch nicht, dass sie während des gesamten Krieges von der Zwangsarbeit der unterworfenen Völker lebten. Den Deutschen ging es in Europa am Besten. Man müsste keine Aussiedlungen durchführen, wenn man nicht zwei Millionen russische Gefangene zur Arbeit getrieben und ihnen nur Hungerrationen zum Leben gegeben hätte.

Verfallen wir auch nicht der Illusion, dass der gewöhnliche Deutsche nichts über die Konzentrationslager, die Ghettos usw. gewusst hätte. Wenn möglicherweise nicht alle, so war der übergroßen Mehrheit doch bewusst, was die Nazis taten. An der Unterwerfung Europas nahmen Tausende Soldaten teil. Jeder von ihnen hatte Verwandte, denen er über seinen Armeedienst erzählte oder schrieb. Millionen Juden erschlugen nicht einige Dutzend Verbrecher - an der Ausrottung nahmen Tausende Deutsche teil. Die Menge der Morde war so groß, dass man sie nicht verheimlichen konnte. Na und dann erreichten die Deutschen die Transporte mit (...) in den unterworfenen Ländern geraubten Güter. Alle die Pelze, Radios, Bilder, das Gold aus den Ghettos ... Die Bauern mussten wissen, dass die fremden Arbeiter, die bei ihnen umsonst arbeiteten, durch Razzien eingesammelt wurden. (...)

Was auch nicht ohne Bedeutung ist: Die Deutschen haben sich nicht selbst befreit. Vom Nazismus befreite sie Amerika.

Für diese Politik, u.a. für die Unterstützung Hitlers, bezahlten die Deutschen mit den sogenannten Vertreibungen.”

 

Auszug aus einem Gespräch mit Marek Edelman in der Tygodnik Powszechny, Nr. 33 v. 17. August 2003; Marek Edelman ist der letzte überlebende Kommandeur des Warschauer Ghettoaufstandes von 1943, Übersetzung: Wulf Schade, Bochum